Wohnung wie ein Lottogewinn

Es war klar, dass das Gespräch ganz schnell bei der fulminanten Dachterrasse landen würde: 4. Stock, grandiose Aussicht, großzügige Abmessungen: „Und im Sommer ist das unser Wohnzimmer.“

Es war klar, dass das Gespräch ganz schnell bei der fulminanten Dachterrasse landen würde: 4. Stock, grandiose Aussicht, großzügige Abmessungen: „Und im Sommer ist das unser Wohnzimmer.“ Hannelore Hardy erwähnt dies eigens, weil „Balkonien“ ringsum auffallend wenig genutzt werde. Die vielen Kräuter und Blumen, die in Töpfen und Kästen gedeihen und mit viel Liebe zum Detail arrangiert sind, verraten: Dieses „fünfte“ Zimmer bietet auch fürs Hobby Möglichkeiten _ und fürs Auge allerhand optische Finessen.

Letzteres scheint Programm zu sein in diesem mit hochwertigen Designermöbeln, schönen Accessoires sowie Grafik ausstaffierten Domizil.  Die Reduktion aufs Wesentliche plus sorgsam gesetzte Blickfänge, auf diese Formel könnte man das Wohnkonzept des Ehepaars bringen, das vor drei Jahren hier eingezogen ist. „Wie ein Sechser im Lotto“, sei ihr der Zuschlag für die Wohnung vorgekommen, erzählt die Mieterin und beginnt deren Vorzüge aufzuzählen: Besonnung von drei Seiten, barrierefrei, Tageslichtbad, „und whow, wir müssen im Winter nicht schippen“. Die Wohnung biete überdies eine Perspektive fürs Alter.

Dann zeigte sich auch noch, dass sämtliches vorhandene Mobiliar, die schwarzen Ledersofas, die Systemmöbel, sogar die Lampen und die Vorhänge, in neuer Umgebung erneut eingesetzt werden konnten, so als wären sie eigens dafür zusammengetragen. Nur die Küche ist neu.

Der zeit- und schnörkellose Einrichtungsstil korrespondiert mit persönlichen Erinnerungsstücken. Grafiken zeigen Ansichten von Rom, Venedig und London und damit von Reisezielen, der „Griesbadmichel“ aus dem Atelier des Ulmer Künstlers Ludwig Ade (1900-1992) verströmt die raubeinige Aura des Ulms alter Tage _ und wurde von dem Ehepaar im Übrigen auf einem Flohmarkt ergattert.

Auf den Einzug folgte bald eine kleine Kennenlern-Aktion. „Wollen Sie auch gerne wissen, wer mit Ihnen unter einem Dach wohnt“, stand auf einem Zettel, den das Ehepaar verteilte. Der organisierte Tratsch im Eingangsbereich der Nummer 6 dauerte schließlich vier Stunden. „Und jeder hat was mitgebracht an Essen und Getränken“, was dann dem Lüften des Vorhangs der Anonymität ziemlich förderlich gewesen sein musste

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