Geborgenheit in der Hausgemeinschaft

Wohnen mit Anschluss an die Nachbarschaft: Das Ehepaar Michael und Adelheit Widmann hat in der Warndtstraße genau das gefunden, was seiner inneren Einstellung entspricht.

Michael und Adelheit Widmann sind vor drei Jahren von einem winzigen Dorf zurück in die kleine Großstadt Ulm gezogen, aus einem 180-Quadratmeter großen Pfarrhaus von 1724 in eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Warndtstraße, Baujahr 2019. Viel kleiner zwar, aber vorteilhaft. „Für uns ein richtiger Glücksfall“, sagen sie. Doch warum ist das so?
Es hat viel zu tun mit „agw“. Hinter diesem Kürzel, das für „aktiv gemeinsam wohnen“ steht, steckt ein Verein, in dem die Mieter der heimstätten-Gebäude in der Warndtstraße 12, 14 und 16 aktiv sind und der hier mit Unterstützung unserer Genossenschaft seine Ideen erstmals in die Praxis umsetzen konnte. Die Mieter innerhalb der agw erfüllen einen Gemeinschaftsraum mit Leben, verwalten das Gästeappartement und praktizieren eine Form von Nachbarschaft, die sich als solidarische Gemeinschaft versteht und generationenübergreifend ist. „Sie vermittelt mir ein Gefühl von Geborgenheit“, sagt Adelheit Widmann, während sie Kräutertee in die Tässchen aus feinem Porzellan gießt. 

Lehrer, Pfarrer und aktiv für fairen Handel

„Behaglich“, damit lässt sich gleichfalls der sehr individuelle Wohnstil des Ehepaares beschreiben. Die meisten ihrer Möbel haben eine Geschichte, sind Familienerbstücke. Die Jugendstil-Eckbank etwa oder die beiden charaktervollen Schreibtische, deren Arbeitsflächen langsam verschluckt werden von diversen Utensilien. Bilder hängen nicht in Reih und Glied, tragen ebenfalls viele Erinnerungen in sich. Die Regale quellen schier über vor Büchern, Musikalien und Accessoires aus allen Herren Ländern und lassen einen weiten Bildungshorizont erahnen.
Sogar die nackte Glühbirne im offenen Küchenbereich passt blendend dazu, zeugt sie doch von der Lust auf Improvisation. „Lampen sind mit das Schwerste“, seufzt Michael Widmann, der mal Religionslehrer war am 2. Ulmer Modell und dann zwischen 1994 und 2000 Pfarrer in der Christuskirche in Söflingen. Beide sind sie Mitgründer des Ulmer Weltladens. Danach verschlug es sie beruflich auf die raue Alb. Es war jetzt also eine Rückkehr in eine vertraute Umgebung.

Engagement für die Gemeinschaft

Beide brachten dann die Neugierde auf, sich der agw anzuschließen, was erst einmal viele Plenumsabende mit sich brachte. Wer im Wirkungskreis des Vereins heimstätten-Mieter werden will, muss eine längere Kennenlernphase und einen Bewerbungsprozess durchlaufen.

Adelheit Widmann spricht von einer gänzlich neuen Kultur im gegenseitigen Umgang und in den Diskussionen, die sie hier erfahren habe. Deren Schlüsselwort bis heute lautet „Konsens“. „Früher wurde ich in den Gremien einfach mal überstimmt“, erinnert sich ihr Gatte. Jetzt werde so lange diskutiert, bis alle einverstanden sind, „damit niemand sich ausgegrenzt fühlt“. Manchmal dauere es dann eben etwas länger oder auch sehr lang, bis Entscheidungen getroffen würden. Ein Seufzer bleibt diesmal aus.
„Länger“ gedauert habe es beispielsweise, bis sich alle über einen Modus zur Vergabe freier Wohnungen geeinigt hätten, fährt er fort. Beide sind sie eingespannt in die Arbeitsgemeinschaften der agw, er in die Gartengruppe, die sich um die blühenden Außenanlagen kümmert, sie in die Nachbarschaftsgruppe und den Betreuerstab der Gästewohnung. Dazu kommen die informellen gegenseitigen Hilfen und Freundschaften, wie sie sich längst herausgebildet haben. Alle paar Wochen steht ein Brunch auf dem Programm.
„Alles ist gut“, kommt Adelheit Widmann wieder auf den Ausgangspunkt zu sprechen – das Wohnen mit vielen Glücksmomenten.

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