Erstmals wieder Leichtigkeit

Ahmad Hadi Almasri hat nach seiner Flucht aus Syrien in Ulm neue Wurzeln geschlagen. Er vermittelt das im Gespräch und mit seiner Power, aber ebenfalls mit so manchem Detail in seiner im Oktober bezogenen Heimstätten-Wohnung im Dichterviertel. .

Mit diesen drei Bildern muss etwas Besonderes auf sich haben. Sie hängen zentral über der Couch und zeigen einzig Schriftzeichen in Arabisch. Ein Lebensmotto? Die Reaktion des Befragten verrät: Richtig getippt. Ahmad Hadi Almasri zögert auf Nachfrage nicht lange mit der Übersetzung und damit der Auflösung des Rätsels: „Zu Gott beten“, „Geduld haben“, „Gott dankbar sein“ steht darauf geschrieben.
Auch die beiden Kakteen im Wohnzimmer sind mehr als bloßer Zimmerschmuck. „Sie sind Symbol dafür, dass man stark sein soll“, verrät der 30-Jährige. Spätestens jetzt beschleicht einen der Verdacht, dass auch die anderen Accessoires in dieser Wohnung mit tieferer Bedeutung versehen sind. Die Bestätigung folgt prompt. Die beiden Statuetten etwa seien „zwei wichtige Heilige in Syrien“; die afrikanische Maske sei „eine Erinnerung an die in der Ferne lebende Familie“. Oder die Sammeltassen in der Küche und die Motiv-Magneten im Flur. Sie zeigten Motive aus Ländern und Städten, die Ahmad Hadi Almasri bereits bereist hat – oder noch bereisen will. Ein Lebensbaum ist ebenfalls dabei.
Dass man stark sein soll? Ließe sich leicht als weiterer Leitspruch von ihm interpretieren und sogar direkt auf die jüngste Etappe seines Lebens beziehen. 2015 war er als junger Mann aus Syrien vor dem Bürgerkrieg geflohen. Über die Türkei und Griechenland gelangte er auf der „Balkan-Route“ nach Deutschland und landete schließlich per Zuweisung in Ulm. Von der Stadt hatte er zuvor nie etwas gehört, inzwischen sei sie ihm zur zweiten Heimat geworden. Wie er diesen urdeutschen Begriff auslege? „Heimat ist“, präzisiert er, „wo man sich wohl fühlt“.

Sämtliche Prüfungen wiederholt

Seine Gebete sind offensichtlich erhört worden, die nächste Lebensetappe ist bereits gemeistert: Geduld haben und hart arbeiten. Almasri hatte in Syrien Medizin und Zahnmedizin studiert. Die Abschlüsse zählen in Deutschland nicht. Er habe sämtliche Prüfungen wiederholen müssen, sich aber nur außerhalb der Uni darauf vorbereiten dürfen. Parallel dazu büffelte er Deutsch. Bereits in der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete war er als Dolmetscher behilflich. Ein abgegriffenes Wörterbuch verrät intensive Benutzung. Nicht einmal mehr vor den Fachbegriffen „Kässspätzle“ und „Maultaschen“ muss er kapitulieren. „Schmecken echt lecker.“ Längst auch sind die medizinischen Prüfungen abgelegt. Inzwischen arbeitet er als Zahnarzt in einer Praxis in Ehingen und kann auch schon auf profunde Deutschland-Erfahrungen zurückgreifen: „Sehr pünktlich“, „oft schlechtes Wetter“, „viel Bürokratie“ lautet sein Dreiklang in diesem Fall.

Was sein Lebensmotto anbelangt, befinde er sich jetzt in der dritten Etappe: „Gott Dankeschön sagen.“ Erstmals nach Jahren kann er nun entspannter in die Zukunft blicken. Deutschland sei für ihn ein Land, das keinen Grund zum Klagen liefere. Die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft sieht Ahmad Hadi Almasri greifbar nahe, seine frisch bezogene Wohnung ist inzwischen freundlich und mit Bedacht möbliert. Ganz leicht, so lautet die stilistische Linie beim Einrichten. Schwer, davon hatte er in den vergangenen Jahren mehr als genug.

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